Generalüberholung der Orgel

Text zur bevorstehenden Orgelrenovierung aus dem Jahr 2013

Im Abstand von 15 - 20 Jahren sollte eine Orgel gereinigt werden. Beim Orgelspiel wird Luft durch die Pfeifen bewegt und damit der Staub und Schmutz der Umgebung. Dieser Staub bleibt zum Teil im Innern des Instruments liegen und kleben. Doch auch „Verschleißteile“ eines solchen Instruments, dessen Lebensdauer auf mehrere Menschenalter hin angelegt ist (manche Orgel spielt auch nach dreihundert Jahren hervorragend), müssen nach einer gewissen Zeit erneuert werden.

Der Zahn der Zeit hat an dem Instrument genagt, das in diesem Jahr seinen vierzigsten Geburtstag feiert: Die Ventildichtungen, die mit darüber entscheiden, ob ein Ton beim Spiel zuverlässig ein- oder ausgeschaltet wird, wurden 1972 aus Schaumstoff angefertigt. Heute ist dieser Schaumstoff spröde und zerfällt zunehmend. Die rund 140 Dichtungen müssen ersetzt werden. Außerdem hat sich gezeigt, dass das Leder der vier Bälge unter den Windladen und der große Hauptbalg Risse und zum Teil Löcher hat, hier muss das Leder ersetzt werden.

Am meisten Arbeit aber wird das Reinigen der über tausendvierhundert Pfeifen der Orgel machen. Manche Pfeifen sind mehr als drei Meter lang, manche kleiner als ein kleiner Finger. Das braucht Zeit und präzises Arbeiten. Voraussichtlich mehrere Wochen werden versierte Orgelbauer in und vor der Orgel arbeiten und das wird noch einmal, nach der Außen- und Innenrenovierung der Kirche, viel Geld kosten.

In den Wochen vor und nach Weihnachten des Jahres 2012 besuchten uns der Orgelsachverständige der EKHN, Thomas Wilhelm und mehrere Orgelbauer. Jedesmal wurde das Gehäuse geöffnet, sorgfältig nach schadhaften Teilen gesehen, gespielt, gehört und diskutiert. Da ich als Organist in der Regel am Spieltisch sitze und den Orgelklang von dort relativ unausgewogen höre, war es sehr aufschlussreich, die verschiedenen Register und Registerkombinationen in den unterschiedlichsten Lagen vorgespielt zu bekommen und mit Fachkollegen Möglichkeiten und Schwächen des Instruments zu besprechen.

Vor allem wurde uns deutlich, dass die Kirche einen längeren Nachhall be­kommen hat und dieser Nachhall vor allem die höheren Frequenzen deutlich verstärkt. Thomas Wilhelm machte mit uns ein Experiment und schickte uns in die Nähe der vorderen Bankreihen, während er mit einem einzelnen Orgelregister vorspielte. Hier klang es, als käme der Orgelklang von überall her, von der Decke, den Wänden und aus der Apsis.

Das erklärt auch, warum die Orgel nach der Renovierung lauter und heller als vorher klingt, ein Umstand, der bei der Ausreinigung und der nachfolgenden Neuintonierung berücksichtigt werden muß. Zum Glück haben die Orgelbauer die Kunstfertigkeit, mit gezielten Veränderungen an der Pfeife nicht nur die Tonhöhe, sondern auch die Klangfarbe anzupassen.

Würde man die Bierstadter Orgel heute noch einmal neu bauen müssen, kostete sie rund 300.000 Euro. Auch wenn die Kosten für eine Sanierung hoch erscheinen - es ist eine gute Investition in die Musik in der Bierstadter Kirche heute, aber auch für künftige Generationen.

Thomas Schwarz