Corona-Blog 1 - Meine persönlichen Erfahrungen mit dem Virus und der Ausgangssperre.
Johann Gottfried Walther, Musicalisches Lexicon oder Musicalische Bibliothec, Leipzig 1732: "Corona oder Coronata, also wird von den Italienern dieses Zeichen [gemeint ist eine Fermate] welches, wenn es über gewissen Noten in allen Stimmen zugleich vorkommt, ein allgemeines Stillschweigen oder eine Pausam generalem bedeutet. Wenn es aber über einer final. Note in einer Stimme allein steht, so zeigt es an, dass sie daselbst so lange aushalten soll, bis die übrigen Stimmen auch zu ihrem natürlichen Schluss nachkommen; die Franzosen nennen es Point d'Orgue [Orgelpunkt]. Man braucht es auch in den Canonibus, um den Ort zu bemerken, wo alle Stimmen inne halten sollen, wenn geschlossen werden soll."
Eine unvorhergesehene Fermate - Am 8. März 2020 hatte der Chor Cantate Domino ein lange vorbereitetets Konzert mit drei Kantaten von Gottfried August Homilius, es war selten gesungene und sehr attraktive Musik. Der musikalisch sehr geglückten Aufführung hörten außergewöhnlich wenige Zuhörer zu, die Corona-Ausgangssperre, die bald danach in Kraft trat, warf ihre Schatten voraus, viele, vor allem ältere Menschen hatten Angst, in die Kirche zu gehen. Auch der Gottesdienst am Vormittag war außergewöhnlich schlecht besucht.
Dann kamen die Absagen der öffentlichen Gottesdienste und die Verbote, sich zum Musizieren zu treffen. Ich hatte, nachdem ich im Herbst des vorausgegangenen Jahres wegen einer Netzhautablösung für etliche Wochen ausgefallen war, meinen Dienst gerade wieder angetreten und war noch beschäftigt, mich mit den optischen Einschränkungen meiner Erkrankung zu arrangieren. Das Notenlesen war mühsam, ich sah Doppelbilder und mußte beim Üben immer wieder pausieren, viel mehr auswendig lernen und mich ohnedies mehr auf mein Gedächtnis verlassen.
Nun kam also auf mich und die meisten anderen Musiker eine Situation zu, das Arbeiten völlig umstrukturierte. Anfangs dachten und hofften wir, dass "der Spuk bald vorbei sei" und wir in wenigen Wochen wieder wie gewohnt singen und spielen dürften. Das hat sich aber nicht so erfüllt.
Corona-Blog 2 - Meine persönlichen Erfahrungen mit dem Virus und der Ausgangssperre.
Videogottesdienste und die Medienpräsenz - Als Ersatz für die Gottesdienste in der Kirchengemeinde, zu denen man sich persönlich in der Kirche versammelte, trat ein gefilmter und auf der Videoplattform youtube öffentlich gemachter Gottesdienst. Freilich ist ein gefilmter Gottesdienst vor dem Bildschirm immer etwas anderes als ein in der Kirche erlebter Gottesdienst und musikalischen Ereignisse werden, bewußt oder unbewußt, auch mit anderen Augen gesehen und mit anderen Augen gehört.
Auch wenn es nicht wirklich eintritt, ist es doch möglich, dass jeder auf diesem Planeten, der einen Internetanschluss hat, dem Ergebnis zuhören und sehen kann und damit steigt der "empfundene Anspruch" durchaus. Gefühlt liegt damit ein in dieser Form produzierter Gottesdienst irgendwo zwischen dem, was man als Organist seit Jahrzehnten Sonntag für Sonntag spielt und dem Festgottesdienst, den man vor laufender Kamera für ein Live am Fernseher sitzendes Publikum musiziert. Für mich ein Grund mehr, kleine und große technische Schwierigkeiten im Stück viel genauer unter die Lupe zu nehmen, aber als Spieler auch genauer hinzuhören. Denn am Bildschirm betrachtet wirken Tempi doch noch einmal anders, ein Stück wird hier länger oder auch kürzer empfunden als im wirklichen Leben, auch die Lautstärken der Orgelregister sind am PC-Lautsprecher andere, zumal ja meistens das Video "normalisiert", also auf Höchstpegel angehoben wird. Ein leises Orgelstück ist dann nicht mehr wirklich leise und die Klangfarben andere, so dass ich mitunter auch den Bass in leisen Stücken absenken musste, um die Klarheit in den Höhen zu behalten.
Corona-Blog 3 - Meine persönlichen Erfahrungen mit dem Virus und der Ausgangssperre.
Die Augen - Im Herbst 2020 machte sich bei mir das fortschreitende Glaukom bemerkbar, die Augen waren gerötet von den drucksenkenden Augentropfen. Es stand eine Operation ins Haus, weitere folgten. Im Mai 2021 dann die (hoffentlich vorerst letzte) Operation. Ich konnte zeitweise Dienst tun, war aber auch für Monate krank und es war noch im Sommer 2021 nicht klar, ob ich wieder ins Berufsleben einsteigen konnte. Im frühen Herbst spielte ich wieder erste Gottesdienste, kleine Konzerte, für einige Wochen durften die Flötengruppen wieder proben und der "Kleine Chor" und der Taizechor sangen in einigen Proben. Es war eine kurze Musizierzeit für die Gruppen, die nächste Welle kam und damit noch härtere Einschnitte. Aus der 3G-Regel wurde schließlich 2G+ über Weihnachten. An eine öffentliche Andacht mit 3für1 war nicht zu denken. Für die Zeit vor dem Advent 2021 war ein Chorprojekt geplant. Eine kleine, motivierte Gruppe kam zusammen, übte und konnta dann doch nicht vorsingen. Wir nahmen die Lieder auf Video auf und gastalteten zusammen mit 3für1 vier Videoandachten, die gerne angesehen wurden.
Thomas Schwarz
Corona-Blog 4 - Meine persönlichen Erfahrungen mit dem Virus und der Ausgangssperre.
Corona und das Orgelspiel - Die Zeit, die frei wird, weil nicht geprobt werden kann, weil die Proben nicht vorbereitet und organisiert werden können und müssen, nutzte ich an "meinem" Instrument, der Orgel. Ich habe es sehr genossen, vieles von dem aufzuarbeiten, was über Jahre zu kurz gekommen war. Fingersätze einmal ganz in aller Ausführlichkeit auszuprobieren, noch einmal zu verwerfen und zu genießen, wie ein Stück über Tage und Wochen im Training in die Finger und das Gehirn fließt und sich dort verankert, das kannte ich durchaus aus Studienzeiten und Übephasen danach. Aber so viel "Zeit am Stück" hatte ich erst während der Corona-Pandemie. Zudem konnten wir (fern der Öffentlichkeit und gemäß dem, was erlaubt war) kammermusikalisch singen und das Singen im Ensemble zu dritt ganz in Ruhe sich entwickeln und wachsen lassen. 3für1 hat in diesen Wochen und Monaten eine schöne Entwicklung nach vorne gemacht und wir hoffen, dass es eine Zeit nach dem Singverbot geben wird, in der wir wieder für unsere Zuhörer musizieren dürfen.
Thomas Schwarz